aus der MKM Zeitung | Ausgabe Oktober 2016

Deutschland im Bauboom

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Deutschland im Bauboom

Bauen, Sanieren und Renovieren ist in den letzten Jahren beinahe zum Volkssport avanciert. Das Zusammenspiel hervorragender wirtschaftlicher Rahmenbedingungen bietet verlockende Anreize, um den eigenen Wohntraum endlich wahr werden zu lassen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen im Euroraum quasi abgeschafft, der Leitzins liegt inzwischen bei Null. Baukredite sind derzeit so günstig wie seit Jahren nicht. Das klassische Sparbuch, Fonds oder Aktien werfen wegen der Null-Zinsen dagegen kaum noch etwas ab. Anleger flüchten deswegen zunehmend in „Betongold“. Die Frage „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ treibt Deutschland um. Und so läuft der Wohnungsbau auf Hochtouren.

Das bestätigen auch die Erhebungen des Statistischen Bundesamtes. Demnach steigt die Zahl der Baugenehmigungen seit 2009 stetig an. Im 1. Halbjahr 2016 wurden in Deutschland 30,4% oder rund 42.700 mehr Baugenehmigungen von Wohnungen erteilt als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. Von Januar bis Juni 2016 wurde der Bau von insgesamt 182.800 Wohnungen genehmigt. Eine höhere Zahl (185.000) hatte es laut Statistischem Bundesamt zuletzt vor 16 Jahren gegeben.

Rund 154.500 der genehmigten Wohnungen zwischen Januar und Juni 2016 waren Neubauwohnungen in Wohngebäuden – ein Plus von 28,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Besonders stark fi el der Zuwachs mit einem Plus von 30,7 Prozent bei Mehrfamilienhäusern aus. Aber auch die Anzahl genehmigter Wohnungen in Zweifamilienhäusern (+18,3%) und Einfamilienhäusern (+12%) legte erheblich zu. Das die Genehmigungen auch in echten Wohnraum verwandelt werden, belegen weitere Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Im Jahr 2015 wurden insgesamt 247.700 Wohnungen fertig gestellt. Eine Steigerung um 2.400 Wohnungen beziehungsweise 1% zum Vorjahr. Trotzdem gibt es noch viel zu tun.

Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW warnt: „Die Zahl der genehmigten Wohnungen steigt seit geraumer Zeit, das ist ein positiver Trend. Dennoch dürfen die Zuwächse über eines nicht hinwegtäuschen: Die Zahl der Baugenehmigungen reicht immer noch nicht aus, um den Bedarf von jährlich 400.000 neuen Wohnungen gerade in den wachsenden Ballungsräumen zu decken.“

Tipps für eine solide Baufinanzierung

2016 bietet sich für Häuslebauer ein perfektes Zinsumfeld: Die Konditionen für zehnjährige Immobiliendarlehen liegen derzeit bei unter einem Prozent. Kurzfristig werden die Kreditbedingungen ausgezeichnet bleiben. Wer die wichtigsten Regeln beachtet, stellt die Finanzierung seines Wohntraums jetzt langfristig auf eine solide Basis.

Billiges Baugeld weckt Begehrlichkeiten und verleitet im schlimmsten Fall zu Fehlentscheidungen. Wer seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überstrapaziert, erleidet schnell Schiffbruch. Eine durchdachte Finanzierungsstrategie muss her, um den Eigenheimerwerb auf ein starkes Fundament zu stellen. Bleiben Sie realistisch, wenn es darum geht, welche Belastung für Sie tragbar ist und wie viel Immobilie Sie sich leisten können. Generell gilt: Nicht immer bietet die Hausbank die besten Konditionen. Holen Sie auf jeden Fall mehrere Angebote von unterschiedlichen Anbietern ein.

Ohne Eigenkapital geht es nicht

Der erste Schritt ins Wohnglück führt über ausreichend Eigenkapital. Je mehr eigenes Geld im Haus oder der Eigentumswohnung steckt, desto sicherer ist auch auf lange Sicht die Finanzierung. Die Faustregel lautet: Mindestens 25 Prozent sollten vor allem bei größeren Finanzierungen aus bereits vorhandenen Mitteln fließen. Dazu zählen unter anderem Sparbücher bei einer Bank, das Guthaben Ihres Bausparvertrages, ein vorhandenes und bereits bezahltes Grundstück, Investmentfonds oder fest verzinsliche Wertpapiere. Danach geht es weiter mit einem ehrlichen Kassensturz: Sämtliche Einnahmen und Ausgaben mindestens eines Jahres müssen einander gegenübergestellt werden. Schönen Sie hier nichts, veranschlagen Sie die Einnahmen nicht zu großzügig und die Ausgaben nicht zu knapp! Der Saldo von Einnahmen und Ausgaben zuzüglich der aktuellen Kaltmiete lässt sich für die Finanzierung nutzen. Tipp: Mindestens drei Nettomonatsgehälter sollten als eiserne Reserve für unvorhergesehene Ausgaben auf die Seite gelegt werden.

Tilgungsturbo zünden

Viele Kreditnehmer denken niedrige Zinsen kombiniert mit einer niedrigen Tilgungsrate wären ideal. Doch das ist ein Trugschluss, denn das „Tilgungsparadox“ besagt: Bei Darlehen mit einem niedrigen Zinssatz dauert die Rückzahlung länger als bei Darlehen mit einem höheren Zinssatz. Grund: Der Anteil der gesparten Zinsen, die mit jeder Tilgungsleistung von der Kreditsumme abgezogen werden, ist nicht so hoch wie bei teureren Finanzierungskosten. Der Tilgungsanteil an der Kreditrate steigt langsamer. Bei Annuitätendarlehen gilt im Umkehrschluss: Je höher der Tilgungssatz, desto kürzer die Finanzierungslaufzeit. Wer den Tilgungsturbo zuschaltet, reduziert die Restschuld beim Auslauf der Zinsbindung und ist schneller schuldenfrei. Das sollte spätestens bei Renteneintritt der Fall sein. In Niedrigzinsphasen ist eine hohe Tilgung also besonders wichtig, weshalb Experten zu einer möglichst hohen Tilgung von jährlich mindestens drei Prozent des Anfangsdarlehens raten.

Auf lange Zinsbindung setzen

Um das Zinsänderungsrisiko deutlich zu reduzieren, sollten Sie auf eine lange Sollzinsbindung setzen. Nutzen Sie die aktuell besonders niedrigen Konditionen und schreiben Sie die Zinsen länger als zehn Jahre fest. Einige Experten empfehlen sogar eine Festschreibung von mindestens 15 Jahren, denn in zehn Jahren können die Zinsen wieder deutlich höher sein und das Familienbudget dann überstrapazieren. Bei langen Zinsfestschreibungen besteht darüber hinaus ein weiterer Vorteil: Sind seit der vollen Auszahlung des Darlehens zehn Jahre vergangen, kann der Vertrag nach §489 Abs. 1 Nr. 3 BGB mit einer Frist von sechs Monaten ganz oder teilweise gekündigt werden. Die Vorfälligkeitsentschädigung, die sich Kreditinstitute bei einer vorzeitigen Kündigung in der Regel teuer bezahlen lassen, entfällt dann.

Erwerbsnebenkosten nicht vergessen

Mit dem Kaufpreis einer Immobilie sind noch längst nicht alle Kosten abgedeckt. Was an Erwerbsnebenkosten hinzu kommt, schlägt ordentlich zu Buche. Nicht unterschätzen sollte man deshalb Posten wie die Grunderwerbssteuer, Gebühren für den Notar, den Eintrag ins Grundbuch oder eine eventuell anfallende Maklerprovision. Wichtig: Diese Kosten, die neben der regulären Kaufsumme anfallen, müssen immer sofort bezahlt werden. Überschätzen Sie sich auch nicht in Bezug auf die „Muskelhypothek“. Die zu erbringenden Eigenleistungen der Bauherren sollten selbstkritisch geprüft und nicht zu hoch angesetzt werden, sonst drohen Verzögerungen und teure Nacharbeiten durch Profi s.